KPTBS im Umfeld – Warum auch Angehörige Wissen und Hilfe brauchen
Wenn ein geliebter Mensch an einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung (KPTBS) leidet, fühlt man sich als Angehörige(r) oft hilflos, überfordert oder sogar verletzt. Die Symptome – Rückzug, emotionale Taubheit, plötzliche Wutausbrüche, Überforderung, Misstrauen oder Bindungsangst – wirken manchmal unverständlich und können Beziehungen belasten.
Doch KPTBS ist eine ernsthafte und komplexe seelische Erkrankung. Sie ist Folge tiefer – meist früher – Verletzungen und hat nichts mit fehlendem Willen, Undankbarkeit oder mangelnder Liebe zu tun. Heilung ist oft ein jahrelanger, holpriger Prozess.
Was können Angehörige tun?
-
Weiterbilden:
Je mehr Sie über KPTBS und Traumafolgen wissen, desto besser können Sie die Reaktionen Ihres Angehörigen einordnen. Wissen nimmt Angst und verhindert Missverständnisse. -
Eigene Grenzen achten:
Sie dürfen und müssen auf sich selbst achten. Wer dauerhaft „nur“ unterstützt, läuft Gefahr, selbst krank zu werden. -
Hilfe suchen:
Unterstützung für sich selbst in Anspruch zu nehmen – etwa durch Beratung, Selbsthilfegruppen oder eigene Therapie – ist kein Zeichen von Schwäche, sondern kluge Selbstfürsorge. -
Empathie und Geduld:
Bleiben Sie offen, urteilen Sie nicht zu schnell und versuchen Sie, emotionale Distanz nicht persönlich zu nehmen. Kleine Schritte, liebevolle Worte und Präsenz bewirken oft mehr als große Taten.
Fazit:
Informieren Sie sich über KPTBS, lassen Sie sich unterstützen und nehmen Sie Ihre Gefühle ernst. Nur wenn Sie sich selbst schützen und stärken, können Sie auf lange Sicht ein guter Begleiter für Ihr Gegenüber sein.
KPTBS ist schwierig – aber gemeinsam mit Wissen, professioneller Hilfe und gegenseitigem Verstehen können auch Angehörige und Betroffene wieder mehr Lebensqualität gewinnen.


Kurze Info
1. Dissoziation als „unsichtbarer Begleiter“:
Viele Betroffene erleben manchmal, ohne es genau zu merken, Zustände, in denen sie wie neben sich stehen, sich an Ereignisse nicht mehr erinnern können oder „alles wie in Watte“ wahrnehmen. Diese dissoziativen Zustände sind typische Schutzmechanismen, aber werden von den Betroffenen oft nicht als Traumasymptom erkannt. Dissoziation kann auch Alltagsfunktionen (z. B. Autofahren, Arbeiten) beeinträchtigen.
2. Körperliche Symptome ohne erkennbare organische Ursache:
KPTBS schlägt sich nicht nur psychisch, sondern oft auch körperlich nieder. Chronische Schmerzen, Magen-Darm-Beschwerden, Migräne, Herzrasen oder „unruhige Beine“ (Restless Legs) zählen zu den sogenannten somatoformen Symptomen. Viele Betroffene werden jahrelang körperlich behandelt, ohne dass das Trauma „hinter“ den Beschwerden erkannt wird.
3. Tragende Rolle von Scham und Schuld:
Bei KPTBS sind Gefühle von „Ich bin schlecht“, „Ich habe es nicht verdient“ oder „Ich bin schuld an allem“ besonders tief verwurzelt. Diese toxische Scham führt dazu, dass viele Betroffene sich nicht erlauben, Hilfe zu suchen, Glück zu erleben – und selbst kleine Erfolge „sabotieren“.
4. Überangepasstheit und Perfektionismus:
Nicht nur Rückzug und Vermeidung sind typisch für KPTBS, sondern auch das Gegenteil: Viele entwickeln ein extremes Bedürfnis, perfekt, hilfsbereit oder stark zu erscheinen. Dieses Muster ist ein Versuch, Kontrolle und Sicherheit zu bewahren, wird aber oft als „normale“ Persönlichkeit fehlinterpretiert.
5. Beziehungen wirken wie „Trigger“ – auch im Positiven:
Während Nähe oft als bedrohlich erlebt wird, kann gerade ein zuverlässiger, feinfühliger Partner einen entscheidenden Wendepunkt bringen: Das neue (langsam wachsende) Gefühl von Sicherheit, Verständnis und Akzeptanz kann Heilung anstoßen – manchmal fühlt sich das aber zuerst beängstigend und „unverdient“ an.
6. Generationenübergreifende Weitergabe:
Nach neueren Forschungen werden Bindungs- und Traumamuster nicht nur psychologisch, sondern sogar auf biologischer Ebene (z. B. durch epigenetische Veränderungen) an Kinder weitergegeben. Das bedeutet: KPTBS „vererbt“ sich nicht direkt, aber die Folgen können das Verhalten und Erleben ganzer Familien prägen, wenn niemand sie erkennt und bearbeitet.
7. Hohe Missdiagnose-Rate:
KPTBS wird häufig mit Borderline-Störung, Depression, ADHS oder Persönlichkeitsstörungen verwechselt oder überschneidet sich damit, insbesondere wenn Behandler nicht traumasensibel arbeiten.
8. Begegnung mit Hoffnung:
Viele Betroffene glauben, sie könnten „nie wieder richtig fühlen“. Doch neue Studien und therapeutische Erfolgsgeschichten zeigen: Mit Geduld, spezifischer Traumatherapie (z. B. EMDR, körperorientierte Verfahren, traumasensible Psychotherapie) und kontinuierlicher Beziehungserfahrung kann selbst nach vielen Jahren echte Heilung und Lebensfreude zurückkehren.
Kurz gesagt:
KPTBS ist vielschichtiger, als es auf den ersten Blick scheint – und heilt selten „von allein“. Aber mit Verständnis, mutiger Konfrontation und unterstützenden Beziehungen sind ganz neue Lebenswege möglich.
Quellen:
Michaela Huber: "Der innere Garten."
Trauma-Informationszentrum: https://www.trauma-info.de
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): https://www.bzga.de