Für Betroffene – die schonungslos hinter die Kulissen blicken wollen
Wenn Sie den Mut haben, lädt dieser Artikel Sie dazu ein, einmal radikal hinter die Kulissen zu blicken. Ich gebe Ihnen sogar eine Warnung: Es könnte ein heftiges Aha-Erlebnis geben, vielleicht auch ein schmerzhaftes „Oh, Mist – so ist es wirklich!“
Als traumatisierter Mensch jagen wir Tag für Tag den Antworten hinterher, machen uns selbst Druck, verderben unsere Stimmung, weil wir die Vergangenheit nie wirklich abschließen. Unser Gehirn quälen wir ohne Pause mit denselben Erinnerungen, kreisen um dieselben Fragen – und ja, das tun wir uns tatsächlich selbst an. Das klingt hart, aber es ist die Wahrheit.
Wenn Sie den Mut haben, lädt dieser Artikel Sie dazu ein, einmal radikal hinter die Kulissen zu blicken.
Wer glaubt, mit Lebenskrisen ließe sich kein Geld verdienen, lebt im Irrtum. Social-Media-Plattformen sind voll von „Selbstfindungsseminaren“, „Achtsamkeitskursen“, „Trauma-Workshops“ und warum? Weil Selbstfindung das Modewort unseres Zeitalters ist. Es klingt modern, inspirierend und machbar. Aber was steckt dahinter?
Jetzt schnallen Sie sich an, atmen einmal tief durch und lesen diesen Artikel beim ersten Mal einfach so. Beim zweiten Lesen gehen Sie bitte Schritt für Schritt in sich und fragen sich: „Wie meint er das? Ist da wirklich was dran?“ Ich beweise Ihnen: Nicht nur vielleicht – es ist so.
-
Jeder von uns startet ins Leben mit Urkraft, Lebenswillen und grundlegenden Bedürfnissen. Ausnahmslos JEDER
-
Wir alle müssen bestimmte Entwicklungsphasen meistern, in denen wir lernen, fühlen und das eigene ICH formen: „Wer bin ich? Was will ich? Was darf ich werden?“ Ausnahmslos JEDER
-
Wenn alles glatt läuft, sitzen Sie jetzt als selbstbewusster Mensch hier, entspannt und offen. Aber wenn Ihre Kindheit schwierig war, suchen Sie vermutlich bis heute nach Antworten. Vielleicht sind Sie gerade mitten in der berüchtigten „Selbstfindung“.
-
Und sollten Sie aktuell in einer tiefen Lebenskrise stecken, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Sie schon als Kind eine wichtige Entwicklungsphase NICHT abschließen konnten. Genau hier liegt der wahre Grund für Ihr heutiges Ringen!
​​
Lesen Sie weiter, verfolgen Sie die Entwicklungsschritte, die alle Menschen – egal wie verschieden – im Leben gemeinsam durchlaufen sollten. Denn eins ist sicher: Die Natur macht fast keine Ausnahmen. Dies ist der Kern menschlichen Lebens – unser gemeinsames Fundament, an dem niemand vorbeikommt. Ohne Ausnahme, ein Leben lang.
​
Der Beginn unseres SEINS
Ein gesundes Aufwachsen eines Kindes basiert auf Liebe, Fürsorge, Sicherheit und der Freiheit, Kind sein zu dürfen. In einem „normalen“ Lebenslauf durchläuft jedes Kind klar strukturierte Entwicklungsphasen – angefangen mit Urvertrauen, über Autonomie und Initiative, bis hin zu Identität und Bindungsfähigkeit. Jede Phase baut dabei auf der vorherigen auf: Ist eine Phase erfolgreich abgeschlossen, öffnet sich die Tür zur nächsten. Der Selbstwert wächst, das soziale Miteinander gelingt besser, emotionale Stabilität entwickelt sich.
Doch dieses idealtypische Bild zerbricht, wenn Faktoren wie Vernachlässigung, emotionale oder sexuelle Gewalt ins Spiel kommen, oder wenn Kinder durch sogenannte Parentifizierung viel zu früh Verantwortung übernehmen müssen – wenn sie plötzlich erwachsen sein sollen und ihnen das Kindsein genommen wird. Dann geraten die natürlichen Entwicklungsprozesse ins Stocken oder bleiben sogar „offen“, mit weitreichenden Folgen ins Erwachsenenalter.
​
​
I. Normale Entwicklung der Lebensphasen nach Erikson & Bowlby
-
Urvertrauen vs. Misstrauen (0–1,5 Jahre)
-
Das Kind lernt, dass seine Bedürfnisse gesehen werden. Eine sichere Bindung entsteht (Bowlby).
-
-
Autonomie vs. Scham/Zweifel (1,5–3 Jahre)
-
Das Kind darf die Welt erkunden, erlebt Grenzen als Schutz, wird zur Selbstständigkeit ermutigt.
-
-
Initiative vs. Schuldgefühl (3–6 Jahre)
-
Mut, Neugier und das Ausprobieren werden gefördert. Fehler werden verziehen, nicht verurteilt.
-
-
Werksinn vs. Minderwertigkeit (6–12 Jahre)
-
Das Kind erlebt Erfolg und Anerkennung in Schule und sozialen Gruppen, entwickelt Leistungsfreude.
-
-
Identität vs. Rollendiffusion (12–18 Jahre)
-
Jugendliche finden ihre eigene Rolle, probieren sich aus, bauen stabile Freundschaften und erste Liebesbeziehungen (Bowlby: Sicherheit/Bindungserfahrungen).
-
-
Intimität vs. Isolation (18–35 Jahre)
-
Junge Erwachsene sind beziehungsfähig, bereit für Nähe, Vertrauen und Gegenseitigkeit.
-
-
Generativität vs. Stagnation (35–65 Jahre)
-
Erwachsene engagieren sich für Familie, Kinder oder soziale Projekte, erleben Sinn und Weitergabe.
-
-
Ich-Integrität vs. Verzweiflung (ab 65 Jahre)
-
Rückblick auf das Leben, Akzeptanz, Frieden mit sich selbst und den eigenen Beziehungen.
-
​​​
II. Entwicklung nach Vernachlässigung und Traumatisierung
-
Urvertrauen vs. Misstrauen (0–1,5 Jahre)
-
Das Kind erfährt Unsicherheit, Ablehnung, bleibt in wachsamem Grundmisstrauen gegenüber anderen.
-
-
Autonomie vs. Scham/Zweifel (1,5–3 Jahre)
-
Selbstständigkeit wird nicht gefördert, Fehler bestraft oder übersehen, es entsteht permanente Scham und Unsicherheit.
-
-
Initiative vs. Schuldgefühl (3–6 Jahre)
-
Das Kind wird für Eigeninitiative kritisiert oder gar ausgelacht, fühlt sich schnell schuldig und lässt von eigenen Bedürfnissen ab.
-
-
Werksinn vs. Minderwertigkeit (6–12 Jahre)
-
Erfolge werden kleingeredet, Versagen übermäßig betont, das Gefühl von Wertlosigkeit wächst.
-
-
Identität vs. Rollendiffusion (12–18 Jahre)
-
Die Identitätsfindung bleibt schwammig, oft werden Rollen angenommen, die von außen kommen, nicht vom eigenen Inneren.
-
-
Intimität vs. Isolation (18–35 Jahre)
-
Beziehungen werden als riskant erlebt, Bindung ist geprägt von Angst, Rückzug oder klammerndem Verhalten.
-
-
Generativität vs. Stagnation (35–65 Jahre)
-
Ein Gefühl von Leere, Sinnlosigkeit oder Desinteresse an der Weitergabe und Gestaltung stellt sich ein.
-
-
Ich-Integrität vs. Verzweiflung (ab 65 Jahre)
-
Das Zurückschauen ist schmerzhaft, Reue und das Gefühl, „zu viel verpasst“ zu haben, überwiegen, in Begleitung von Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit .
-
​​
III. Ab 18–35 Jahre
Wie verhalten sich „normal“ entwickelte Erwachsene ab 18–35?
-
Sie führen meist stabile Beziehungen, können sich öffnen und auf andere einlassen (Bowlby: sicherer Bindungsstil).
-
Sie sind fähig zu echter Intimität und emotional authentisch.
-
Sie vertrauen sich selbst und ihren Partnern, können Konflikte klären und sich weiterentwickeln.
Wie verhalten sich emotional vernachlässigte / traumatisierte Erwachsene ab 18–35?
-
Sie haben oftmals große Schwierigkeiten, sich zu binden oder vertrauen entweder niemandem oder klammern verzweifelt.
-
Sie vermeiden tiefe Beziehungen oder erleben ständig Beziehungsabbrüche.
-
Sie haben Angst vor Nähe, Selbstzweifel und häufig Depressionen oder Angsterkrankungen.
-
Oft werden alte Muster – etwa das „Retter“- oder „Unsichtbarsein“-Verhalten aus der Kindheit – in neue Beziehungen übernommen.
Bei anhaltender Traumatisierung bis ins junge Erwachsenenalter:
-
Alte Bindungsängste, Misstrauen, Scham und Isolation setzen sich fort.
-
Identitätsfindung bleibt bruchstückhaft, Beziehungen fühlen sich unsicher oder schmerzhaft an.
-
Selbstwert bleibt erschüttert, die Suche nach Anerkennung ist dauerhaft – doch die Erfüllung bleibt aus.
IV. Ab 35–65 Jahre
Normale Entwicklung:
-
Menschen erleben Sinn und Erfüllung, können sich um andere kümmern (z.B. Familie, Ehrenamt).
-
Sie fühlen sich angekommen, übernehmen Verantwortung, sind für andere Vorbild und Stütze.
-
Es gibt eine Balance zwischen Geben, Weitergeben und eigener Entwicklung.
Nach Trauma und Vernachlässigung:
-
Viele erleben eine Midlife-Crisis, Sinnkrisen oder anhaltende Leere.
-
Beziehungen gehen häufig durch alte Denk- und Verhaltensmuster in die Brüche; Elternschaft wird zur Überforderung oder bleibt distanziert.
-
Es zeigen sich wieder Depression, Einsamkeit oder Rückzug.
-
Das Gefühl, „immer noch nicht angekommen“ zu sein, bleibt präsent.
V. Ab 65 Jahre
Normale Entwicklung:
-
Rückblick mit Dankbarkeit, Akzeptanz des eigenen Lebenswegs, Friede mit Vergangenheit und Gegenwart.
-
Die Fähigkeiten, sich selbst und andere zu verzeihen, sind gereift.
Nach Trauma und Vernachlässigung:
-
Das Zurückschauen ist von Reue und schmerzlichen Erinnerungen geprägt.
-
Viele verspüren Verbitterung, wenig Versöhnung mit sich selbst oder anderen.
-
Einsamkeit, das Gefühl „zu spät zu sein“, oder die Angst, das Leben sei verpasst worden, überwiegen. Hoffnungslosigkeit ist immer noch ständiger Begleiter.
​
​Die Prägungen der Kindheit wirken bis ins hohe Alter. Wer in frühen Jahren Sicherheit, Zuwendung und Unterstützung erfährt, kann Krisen bewältigen und ein erfülltes, verbundenes Leben führen. Traumatisierte Kinder, die mit emotionaler Gewalt, Vernachlässigung und zu früher Verantwortung aufwachsen mussten, tragen ihre Last lange mit sich. Doch es bleibt Hoffnung: Veränderung ist jederzeit möglich – durch Bewusstwerden, Therapie, neue positive Denkweisen und den Mut zur Heilung. Das "innere Kind" kann immer noch angenommen, getröstet und gestärkt werden, auch wenn es spät erscheint.
​
Schlusswort: Das Schlachtfeld verlassen – Heilung als nachgeholte Entwicklung
Wer das Schlachtfeld der eigenen Vergangenheit kennt, weiß, dass offene Wunden und nicht abgeschlossene Entwicklungsphasen nicht einfach verschwinden. Sie begleiten uns – als Unsicherheit, Angst, Schuld oder das Gefühl, immer wieder im selben Kampf zu stehen. Doch das bedeutet nicht, dass wir für immer auf dem Feld der alten Kämpfe verweilen müssen.
Die Chance der Heilung liegt genau darin, im Nachhinein die ausgelassenen Entwicklungsschritte nachzuholen. Dies nennen Fachleute „Nachreifung“ oder „Nachentwicklung“. Das kann in der Psychotherapie, durch heilsame Beziehungen oder bewusste Auseinandersetzung mit dem eigenen inneren Kind geschehen. Es bedeutet, mutig dorthin zu gehen, wo es weh tut – noch einmal Kind zu sein, neuer Bindung zu sich selbst zu vertrauen, sich selbst Schutz, Fürsorge und Trost zukommen zu lassen.
Der Sinn dieser Nachreifung ist, das Versäumte nicht mehr als ewigen Mangel zu tragen, sondern als Aufgabe: Ich kann, wenn ich bereit dazu bin, lernen zu vertrauen, mich abzugrenzen, Nähe zuzulassen, Schuld loszulassen, meine Identität aufzubauen und Frieden mit mir selbst zu schließen.
Die Chancen stehen heute besser als je zuvor. Dank moderner Psychotherapie, verlässlicher Bindungen und wachsendem Bewusstsein über Traumafolgen kann jeder, der sich auf den Weg macht, verlorene Entwicklungsphasen aufarbeiten und integrieren – unabhängig vom Alter.
Wie lange das dauert, kann niemand pauschal sagen. Für manche ist es ein Weg von Monaten, für andere ein Prozess über Jahre. Entscheidend ist nicht das Tempo, sondern der Mut, überhaupt loszugehen – das Schlachtfeld zu betreten, um es schließlich zu verlassen. Und mit jedem Schritt, der zurückgewonnen wird, wächst die Freiheit des eigenen Lebens.
Das Ziel?
Nicht Perfektion. Nicht ewige Heilung. Sondern die Fähigkeit, sich am Ende selbst auf dem Schlachtfeld der Vergangenheit in den Arm zu nehmen, die Waffen niederzulegen, und mit Dankbarkeit und neuem Vertrauen das eigene Leben – in jedem Alter – anzunehmen und zu gestalten.
Denn das ist es, was „nachträgliche Entwicklung“ wirklich bedeutet:
Frieden schließen – mit dem, was war, und Mut, das Leben zu wählen, das jetzt möglich ist.
Heutzutage begegnen wir diesem Prozess oft unter modernen Begriffen wie „Selbstfindung“ oder „Achtsamkeit“ – beliebte Schlagworte in den sozialen Medien und bei Hobby-Therapeuten. Doch hinter all dem steht genau das: Die alte, ehrliche Aufgabe, die offenen Schlachtfelder der eigenen Kindheit und Vergangenheit zu verlassen, Wunden nachreifen zu lassen und wirklich Frieden zu finden – Schritt für Schritt, mit Mitgefühl und dem Mut, Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen.
Es ist keine Mode, sondern ein zutiefst menschlicher und bedeutsamer Weg, um sich selbst und die eigenen Beziehungen heilen zu können. Es bedeutet, endlich der Mensch zu werden, der von Anfang an in uns angelegt war – und mit dieser Freiheit, den Tätern respektvoll ins Gesicht sagen zu können, wie viel Schmerz sie verursacht haben. Es heißt, die Kraft zu finden, die Vergangenheit zur Sprache zu bringen – nicht als Vorwurf, sondern als würdigende Anerkennung dessen, was gewesen ist. Und es bedeutet, den Mut zu entwickeln, endlich wieder Emotionen zuzulassen, Liebe anzunehmen und sie zu erwidern – ohne sich zu verstecken, besonders dann, wenn die Seele bereits ihre Erfüllung gefunden hat.
​​
​Fragen Sie sich also nicht länger, was die Ursache war, sondern wie Sie mit kleinen, konkreten Veränderungen den Weg aus der Lebenskrise finden können. Depression, Trauma und belastende Symptome wiegen schwer – doch lassen Sie das Übel von Reizbarkeit, Aggression, Wut und Lustlosigkeit nach und nach durch Motivation, Unterstützung und bewusst positive Gedanken ersetzen. Üben Sie, bei aufkommender Negativität ganz bewusst innezuhalten, „Stopp“ zu sagen und sich innerlich positive Sätze wie „Ich schaffe das“, „Ich bin nicht allein“ oder „Ich darf glücklich sein“, "Ich bin glücklich ohne die Symptome - ich gebe nicht auf!" einzuprägen. Auch – oder gerade – wenn Sie glauben, nicht mehr zu können, machen Sie sich bewusst, was in Ihnen geschieht, und handeln Sie trotzdem; denn der Weg ist zwar voller Hürden und schmerzhaft, aber genau deshalb lohnt sich jeder eigene Schritt umso mehr.
​
​​​​​​​​​​​​​​​​​​
​