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Depression

Developmental Trauma Disorder (DTD) und Komplexe PTBS (KPTBS):
Was sie unterscheidet und warum DTD in Deutschland (fast) unbekannt bleibt

Die Psychotraumatologie entwickelt sich kontinuierlich weiter, doch noch immer sorgt ein Begriff aus dem englischsprachigen Raum für Verwirrung: „Developmental Trauma Disorder“ (DTD), oft verglichen oder verwechselt mit der in Deutschland geläufigeren „Komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung“ (KPTBS). Was bedeuten diese Begriffe – und warum wird DTD hierzulande kaum diagnostiziert?

Was ist DTD?

Developmental Trauma Disorder (entwicklungsbedingte Traumastörung) ist ein Diagnosekonzept, das besonders Kinder betrifft, die in ihren entscheidenden Entwicklungsjahren wiederholt traumatischen Belastungen und chronischer Vernachlässigung (z. B. Missbrauch, emotionale Kälte, unberechenbare oder gewalttätige Bezugspersonen) ausgesetzt waren. Von Bessel van der Kolk und anderen Traumaforschern angeregt, beschreibt DTD die tiefgreifenden Störungen, die entstehen, wenn das ganze System des Kindes – Gefühle, Beziehungen, Selbstbild, Selbstregulation – von Beginn an dauerhaft von Stress und Gefahr geprägt ist.

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Was ist KPTBS?

Komplexe PTBS ist eine Diagnose für schwere und anhaltende Traumatisierungen, meist über längere Zeit (z. B. Gewalt, Missbrauch, Folter oder wiederholte Vernachlässigung). Sie tritt häufig bei Erwachsenen auf, die schon als Kinder oder Jugendliche chronisch traumatisierenden Situationen ausgesetzt waren – und deren Folgen sich im gesamten Erleben und Verhalten zeigen.

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Typische Symptome – DTD vs. KPTBS

DTD (vor allem bei Kindern und Jugendlichen):

  • Schwierigkeiten, Gefühle zu spüren, auszudrücken und zu steuern

  • Probleme mit Konzentration, Lernschwierigkeiten

  • Häufig extreme Wutanfälle oder Rückzug, Impulsivität

  • Fehlendes Vertrauen in andere, Bindungsstörungen

  • Geringes Selbstwertgefühl, Identitätsprobleme

  • Körperliche Beschwerden ohne medizinische Ursache

  • Selbstschädigendes Verhalten, Ess- oder Schlafstörungen

 

KPTBS (meist im Jugend- oder Erwachsenenalter, aber auch bei älteren Kindern):

  • Wiedererleben (Flashbacks, Albträume, starke Erinnerungen)

  • Vermeidung (Rückzug, Vermeiden von Situationen/Gesprächen)

  • Dauerhafte Anspannung, Übererregung (Schreckhaftigkeit, Schlafstörungen, Reizbarkeit)

  • Emotionale Taubheit, Gefühl von Leere und Entfremdung

  • Probleme mit der Emotionsregulation (Wutausbrüche, anhaltende Traurigkeit, Scham/Guilt)

  • Schwierigkeiten in Beziehungen, Bindungsängste, Misstrauen

  • Anhaltend negatives Selbstbild, starke Schuld- und Schamgefühle

 

Warum ist DTD in Deutschland kaum bekannt oder offiziell anerkannt?

  1. Fehlende offizielle Diagnose:
    DTD ist (bislang) kein Bestandteil der internationalen Klassifikationssysteme (ICD-10, ICD-11, DSM-5). Sie wurde zwar vorgeschlagen, aber bislang nicht aufgenommen, weil es Überschneidungen und Abgrenzungsprobleme mit anderen Störungen (wie KPTBS, Borderline, ADHS, Bindungsstörungen) gibt.

  2. KPTBS ist das genutzte „Pendant“:
    In Deutschland (und Europa) orientiert man sich an der ICD (internationale Klassifikation der Krankheiten). Mit dem neuen ICD-11 gibt es erstmals eine offizielle Diagnose „Komplexe PTBS“, die viele Symptome von DTD ebenfalls umfasst – vor allem bei Erwachsenen. DTD ist dort als eigenes Konzept nicht enthalten.

  3. Andere Begrifflichkeiten:
    Was in den USA als DTD diskutiert wird, fällt in Deutschland in den Diagnoserahmen „frühe Komplextraumatisierungen“, „Bindungstrauma“, „frühkindliche Entwicklungsstörung durch Extrembelastung“, KPTBS, oder wird als „mehrdimensionale Störung“ begriffen.

  4. Fachpolitische Gründe:
    Einige Fachverbände argumentieren, dass DTD von bestehenden Diagnosen (PTBS, Bindungsstörung, ADHS, Dissoziation etc.) ausreichend „abgedeckt“ ist und eine weitere, neue Diagnose Verwirrung stiften könnte.

 

Fazit:
DTD und KPTBS sind beides tiefgreifende Traumafolgestörungen mit beträchtlichen Überschneidungen – DTD beschreibt v. a. die Folgen chronischer, zwischenmenschlicher Traumatisierungen in der Kindheit, KPTBS deutlich häufiger das Bild bei Erwachsenen. In Deutschland wird DTD nicht offiziell diagnostiziert, ihre Symptome werden aber zunehmend im Rahmen der KPTBS-Erkennung und Behandlung mitgedacht.
Wichtig bleibt: Früh erlebtes, komplexes Trauma hat lebenslange Auswirkungen – egal, unter welcher Bezeichnung. Entscheidend ist, Betroffenen passgenaue, traumasensible Unterstützung zu ermöglichen.

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Quellen:

Francine Shapiro: "EMDR – Ein neuer Ansatz in der Psychotherapie
zur Behandlung von Angst und Trauma." Junfermann, 2015.

DeGPT – EMDR-Informationen: https://www.degpt.de/wissen/therapieverfahren/emdr/

EMDRIA Deutschland: https://emdria.de/

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