Die Metapher des inneren Wachhunds
Schritt für Schritt
durch den Beziehungsprozess mit Trauma
Wichtigkeit und Mutmacher vorweg
Du bist nicht allein – viele Menschen, gerade ab der Lebensmitte, erleben, dass sie plötzlich in einer Partnerschaft an die Grenzen ihres Nervensystems und alter Verletzungen stoßen. Dass dort der „Kampf“ beginnt, oder der Körper auf Nähe so stark reagiert, dass Flucht, Erstarrung, Wut oder tiefe Erschöpfung die Oberhand gewinnen.
Das ist kein persönliches Scheitern, sondern Ausdruck davon, dass du in einer echten, verbindenden, liebevollen Beziehung bist und dein System spürt: „Jetzt wird es ernst. Jetzt ist der Moment, um zu heilen.“
Es ist ein Geschenk – und oft wahrscheinlich die größte Entwicklungschance im Leben. Sich trotz Widerstand, Angst, Körperreaktionen, Schritt für Schritt in sichere Nähe zu wagen, wird das Fundament für Freiheit, Mitgefühl und tiefe Freude in deiner Zukunft.
Schritt für Schritt Anleitung mit vielen Beispielen
**1. Anerkennen, nicht bekämpfen
Beispiel:
-
Beim Gedanken oder in ihrer Nähe spürst du Anspannung, Schwitzen, einen Kloß im Magen, dein Herz klopft, du willst raus.
Statt zu sagen: „Weg damit!“
Sage dir: „Aha, mein innerer Wachhund ist wach – danke, dass du da bist, aber ich bin jetzt erwachsen. Ich prüfe, ob wirklich Gefahr ist.“
Übung:
-
Laut oder innerlich sagen: „Gut gemacht, Körper – früher hat mich das geschützt. Jetzt darf ich mich umschaun, ob Gefahr besteht.“
2. Gemeinsame Sicherheit mit der Partnerin schaffen – viele Anregungen
A. Sprechen darüber
-
„Mir ist aufgefallen, dass ich manchmal sehr stark reagiere, ohne dass du was tust. Das ist nicht deine Schuld – es sind alte Schutzmechanismen.“
-
„Können wir ein Ritual einführen, damit ich kleine Pausen machen darf, wenn es mich überrollt?“
-
„Wärst du bereit, einen sicheren Raum für uns beide zu schaffen? Das würde mir helfen.“
B. Sicherheitsrituale im Alltag
-
Feste Begrüßungs- und Abschiedsrituale (bewusste Umarmung oder nur freundlicher Blickkontakt, je nach Gefühl)
-
Verabrede: „Wenn ich die Hand hebe, brauche ich 3 Minuten für mich. Das ist kein Nein zu dir, sondern ein Ja zu meiner Regulation.“
-
Gemeinsame Nest-Zeit: Zusammen auf dem Sofa sitzen, jeder liest sein Buch. Kein Gesprächszwang, nur Nähe. Nach 10 Minuten tauschen: „Wie fühlst du dich gerade?“
-
„Kuschel-Experiment light“: 1 Minute Händchenhalten, dann wieder loslassen. Steigern, wenn möglich.
C. Rolle der Partnerin einbeziehen
-
Sie kann nachfragen: „Willst du Nähe – oder brauchst du gerade Abstand?“ (Ohne Vorwurf, ohne Wertung)
-
Sie kann Sicherheit geben: „Ich nehme deine Reaktion nicht persönlich – ich bin hier, wenn du so weit bist.“
3. Miniübungen zur Beruhigung des Nervensystems – viele Varianten
A. Atemvariationen
-
„4-7-8“-Atemübung: 4 Sekunden ein, 7 halten, 8 aus (sehr wirksam gegen Stress)
-
Summen: Beim Ausatmen wie eine Biene summen, Vibration beruhigt das Nervensystem.
-
„Fenster von jetzt“: Beim Einatmen sagen: „Ich bin“, beim Ausatmen: „hier und jetzt.“
B. Sensorische Erdung
-
Einen Eiswürfel/kalten Löffel in die Hand nehmen, spüren: „Es ist jetzt, nicht damals.“
-
Mit den Füßen fest auf den Boden stampfen.
-
Ein Objekt im Raum wählen, das Sicherheit gibt – immer darauf fokussieren.
C. Körper-Mikrobewegungen
-
Sanft den eigenen Arm streicheln.
-
Kopf leicht kreisen lassen, Schultern rollen, Gähnen (Vagus-Nerv)
-
30 Sekunden ein Tuch oder Stofftier „drücken“ und loslassen.
D. Mini-Imaginationen
-
Sich vorstellen: Ein leiser, treuer Hund liegt brav neben dir – und ist ruhig – weil alles okay ist.
-
Eine goldene Kugel aus Licht im Brustkorb, die sich ausbreitet
-
Lieblingslied kurz innerlich singen
4. Beziehungs-Exposition in kleinen Dosen – praktische Beispiele
-
Zeit-Limit setzen
Beispiel: Besuch, gemeinsames Essen, ein Gespräch – bei Überforderung ein Signal setzen, und für 2–5 Minuten Pausen einlegen mit dem Satz: „Ich bin gleich wieder für dich da – ich muss kurz auftanken.“ -
Ritualisierte Mini-Begegnungen
-
5 Minuten gemeinsam Fernsehen gucken – dann Feedback: „Habe ich was bemerkt an mir? Was ging besser, wann wurde es eng?“
-
Blickkontakt-Übung: Stell dich mit etwas Abstand gegenüber, setz dich auf einen Stuhl, haltet Blickkontakt für 15 Sekunden – dann loslassen
-
Gemeinsames Erledigen einer Aufgabe (z. B. Tisch decken) mit Humor-Impulsen zwischendurch
-
-
Geteilte Freude kultivieren
-
Eine Liste machen: Welche gemeinsamen Aktivitäten machen dir/uns Freude (Kino, Spaziergang, Brettspiel...)? Diese gezielt für kleine Dosen planen – nach jedem erleben: Reflektieren, wieviel Wohlgefühl/Anspannung (0–10) im Körper?
-
-
Zonierformel
-
„Grüne Zone“ (alles okay, entspannt)
-
„Gelbe Zone“ (erste leichte Unruhe, kurz Rückzug)
-
„Rote Zone“ (Alarm – Zeit für Solo-Pause)
Partnerin eingeweiht -> Vereinbarung: Ich darf rechtzeitig in Gelb "aussteigen", dann kommen wir seltener in Rot.
-
5. Psychoedukation & Verständnissätze – viele Formulierungen
Für sich selbst und den Partner/die Partnerin:
-
„Mein Körper/mir zeigen Stress und Nähe noch immer an wie früher, obwohl jetzt niemand böse ist.“
-
„Mein Nervensystem braucht besonders viele Wiederholungen, bevor es Freude vor Angst setzt – das ist bei alten Verletzungen normal.“
-
„Hirn und Körper lernen langsam, aber sie lernen. Jede gelungene kleine Nähe ist Training und Heilung.“
-
„Je öfter ich erleben darf, dass Nähe heute sicher ist, umso leiser wird der Alarm. Es wird leichter, aber es passiert nicht von heute auf morgen.“
-
„Du bist nicht die Ursache meines Gefühls – du bist mein Sparringspartner auf dem Spielfeld der Entwicklung.“
Gerne gemeinsam in Büchern, Podcasts, Videos von z.B. Daniel Siegel, Bessel van der Kolk, Luise Reddemann, lesen, zuhören und dann besprechen: „Erkennst du dich auch wieder? Welche Sätze machen uns Mut?“
6. Rollenspiele – mehr Beispiele
-
Das Pausen-Rollenspiel
-
Einer spielt „Wachhund-Alarm“ (z. B. zieht sich zurück, atmet schwer)
-
Andere übt, ruhig und liebevoll nachzufragen: „Was brauchst du gerade? Möchtest du kurz alleine sein? Ich warte hier auf dich.“
-
-
Trigger-Situation simulieren
-
Partner*in sagt (neutral): „Könntest du bitte...?“
-
Du übst, die erste Reaktion (Wut, Rückzug-Gefühl) zu bemerken, nicht zu handeln, sondern 3-mal zu atmen.
-
Danach formulierst du: „Ich merke, ich reagiere gerade stark – ich weiß, es gehört zu meinem alten Alarm, nicht zu dir.“
-
-
„Freundlicher Beobachter“
-
Ihr sprecht nach (oder während) einer angespannten Situation beide, was ihr glaubt, wie der andere sich fühlt:
„Ich nehme wahr, … scheint gerade sehr angespannt/traurig/unsicher.“ -
Ziel: Gefühle entdramatisieren, nicht persönlich nehmen, Raum geben.
-
7. Ermutigung – Warum das so wichtig und normal ist
-
Es ist absolut menschlich, dass mit jedem Lebensjahr, mit mehr Beziehungs- und Bindungserfahrung, gerade zwischen 40 und 60, alte Schutzmuster in neuen, echten Beziehungen getriggert werden.
Denn:-
Echte Nähe ist ungewohnt und „gefährlich“ für das Nervensystem, wenn früh negative Erfahrung gemacht wurden.
-
Es braucht die neue, sichere Begegnung IM echten Leben, um die alten Programme umzuschreiben.
-
-
Nur wer sich wirklich begegnet und sich seiner selbst und seiner Reaktionen stellt, hat die Chance, ein neues Fundament für erfüllte Liebe und Freiheit zu bauen.
-
Das ist selten leicht, aber es ist eine einmalige, lebensverändernde Chance!
Mutmacher:
-
Es ist normal, dass es schwer fällt! Es ist nicht das Zeichen, dass es nicht die richtige Beziehung ist – sondern das Zeichen, dass jetzt die echte Beziehung beginnt!
-
Diesen mutigen Weg zu gehen, braucht Geduld, Fehlerfreundlichkeit, Rückfalltoleranz und humorvolle Leichtigkeit.
-
Kämpfen lohnt sich – weil der Gewinn am Ende echte Nähe, Verbundenheit und tiefe Selbstannahme ist.
-
Du bist ein Pionier deiner eigenen Liebe und Heilung. Jede Minute, die du durchhältst, bringt neuen Lernerfolg.
Abschlussgedanke:
Liebe und Bindung sind die schwierigsten, aber auch kraftvollsten Felder der Entwicklung und Heilung.
Du darfst kämpfen, stolpern, hinfallen und wieder aufstehen.
Du bist nicht falsch – du bist auf dem richtigen Weg!
​
​
​
A. Schwierige Situationen gemeinsam bewältigen
1. Frühwarnzeichen anerkennen
-
Jeder achtet (bei sich & beim anderen) auf typische Alarm- oder Unwohlgefühle—z.B. plötzliches Schweigen, Gereiztheit, Unruhe, Wegschauen, körperliche Anspannung, Drang zu fliehen, Weinen, Wut etc.
-
Partnerschaftliche Abmachung: „Alarmzeichen“ dürfen jederzeit ohne Wertung angesprochen werden.
Beispiel:
„Ich merke, ich werde gerade unruhig/überflutet/unsicher.“
2. Gemeinsame Stoppsignale festlegen
-
Vorab vereinbaren:
-
Handzeichen, Codewort (z. B. „Pause“, „Gelb“, „Kurz mal Luft holen“)
-
Regenbogen-Karte, Türschild, Kissen vor eine Zimmertür etc.
-
-
Bedeutung: Das Signal heißt: „Ich muss kurz raus – es geht nicht gegen dich, sondern für unsere Beziehung.“
3. Kurz-Intervention/Rückzug einleiten
-
Wer das Signal gibt, darf sich ohne Diskussion zurückziehen—für 5-30 Minuten (je nach Absprache und Erfahrung).
-
Wichtig: In der Pause nicht über das Thema nachgrübeln/weiter streiten!
Kurze Erdungsübung machen: Atmen, Wasser trinken, auf Balkon, an die frische Luft, Musik hören, Bewegung („Power-Walk-in-der-Wohnung“), notieren wie es einem innerlich geht.
Beispieltext beim Verlassen des Raums:
„Ich bin zu sehr aktiviert, brauche eine kurze Pause für mich. Ich gehe ____ (Ort), bin in 15 Minuten wieder ansprechbar oder sage dir per Nachricht Bescheid.“
4. Übergang nach der Pause
-
Nicht sofort mit Problemanalyse starten.
-
Rückkehr mit neutralem, positivem Satz:
„Ich bin wieder hier. Können wir den Faden neu aufnehmen? Geht es auch, einfach erstmal Zeit zusammen zu verbringen – ohne direkt zu reden?“
5. Reflexion & Austausch (wenn beide bereit sind)
-
Jeder beschreibt, was er gefühlt, gebraucht hat, möglichst in Ich-Botschaften („Ich habe gemerkt, ich wurde eng/unruhig/überfordert.“)
-
Kein Gegenvorwurf/Wertungen („Du hast doch ...“)
-
Frage: „Was brauchst du/wünschst du dir jetzt für einen guten weiteren Abend/Tag?“
-
Wenn das Gespräch nicht möglich ist: Vereinbart einen weiteren Zeitpunkt (Stunden/1 Tag später).
6. Gemeinsames Abschlussritual
-
„Händedruck der Versöhnung“ oder 1 Minute still nebeneinander sitzen
-
Ein Stichwort sagen, das man aus der Situation für sich lernt/mitnimmt
-
Aufschreiben/vereinbaren, wie das nächste Mal eine ähnliche Situation noch besser/liebevoller geregelt werden könnte
Tipp: Über Erfolg und Rückfälle auch mal gemeinsam lachen—es ist normal, dass „das System“ wieder zurückfällt und sich erst an die neuen Abläufe gewöhnen muss!
​
B. Ideen für Raum & Rückzug in einer gemeinsamen Wohnung
1. Rückzugsinseln definieren
-
Welche Bereiche sind privat?
(z. B. Arbeitszimmer, ein bestimmter Sessel, eine Ecke am Fenster, das Bett, der Balkon, eine Liege im Garten) -
Klare Kommunikation: „Wenn ich mich dorthin zurückziehe, heißt das: Ich brauche Zeit für mich. Es ist kein Zeichen von Ablehnung.“
2. Absprachen/Routinen
-
Jeder hat das Recht, täglich eine „stille Stunde“ für sich zu beanspruchen (Uhrzeit / im Wechsel)
-
Zeigt durch Signal (Tür zu/Türschild/Kopfhörer/Aufsteller/Kerze an): Jetzt bitte „Nicht stören“, danach Austausch herzlich willkommen!
-
Rituale für Rückkehr zur Begegnung:
z.B. „Wenn beide wieder bereit, treffen wir uns für einen Tee auf dem Sofa.“
3. Gemeinsamer Raum – Geteilte Zeit
-
Bereiche/Zeitfenster, in denen niemand „stören“ darf, sind heilig; gemeinsam geplante Paarzeit bleibt aber bewusst.
– Beispiel: 18-19 Uhr = jeder macht, was er will. 19:30 Uhr = 10 Minuten Austausch (Was war heute schön/schwer? Keine Probleme lösen!) -
Im Kalender eintragen, damit nicht aus Versehen Dringliches dazwischenkommt.
4. Rückzug trotz enger Räume
-
Kopfhörer mit Musik/Hörbuch für „mentalen Rückzug“
-
Spaziergang/Waldrunde alleine ankündigen: „Ich brauche jetzt Frischluft-Zeit für mich – bis gleich!“
-
Meditation/Entspannungsritual im Schlafzimmer/Badezimmer: „In den nächsten 20 Minuten bin ich in meiner Oase“
-
Geteilte Übergaberäume: Der Gang, Küchenfenster, Abstellraum temporär als "Ruhezone" deklarieren
5. Gemeinsamkeiten und Raum vereinbar machen
-
Kurze, gemeinsame Check-Ins: „Wie viel Nähe/Distanz passt diese Woche für dich?“
-
Wochenritual: Am Sonntag überlegen, wo mehr Rückzug/Nähe notwendig ist, zusammen Lösungen (und kleine Kompromisse) suchen—vielleicht auch aufschreiben
6. Achtsame Kommunikation zu Rückzug
-
"Ich brauche Raum" ist ein Bedürfnis, kein Angriff!
-
„Ich lasse dir genauso deinen Raum. Wir kommen immer wieder zusammen, wenn beide bereit sind.“
-
Nach Rückzug: „Danke, dass du mir das gegeben hast. Jetzt bin ich wieder gerne bei dir.“
Beispiel: Wochenplan für Raum & Rückzug
Tag: Montag
Mein Rückzugszeitpunkt : 17-18 Uhr (Lesesessel)
Partner*in-Rückzug: 20-21 Uhr (Balkon)
Gemeinsame Zeit: 19 Uhr: Abendessen
​
Dienstag.........
Abschließender Impuls
Gegenseitige Freiheit und Rückzugsmöglichkeiten SIND Liebe in Aktion! Ein solches Klima schafft echte Sicherheit.
Wer Nein sagen kann, kann Ja sagen, wenn es zählt.
​​​​
Fortsetzung folgt....