
Was sind Denkmuster?
Denkmuster sind automatisch ablaufende Gedanken, Einstellungen und Annahmen, die wir im Lauf unseres Lebens – meist schon in der Kindheit – „erlernen“. Sie sind wie geistige Abkürzungen oder Gewohnheiten: Unser Gehirn bewertet Erlebnisse, trifft blitzschnell Annahmen und interpretiert Situationen auf Basis dieser Muster. Im Alltag nehmen wir sie oft gar nicht bewusst wahr.
Sie helfen uns, die Welt zu ordnen, können aber – vor allem nach belastenden Erfahrungen – auch zu einseitigen, negativen oder sogar zerstörerischen Sichtweisen führen.
Wann treten Denkmuster besonders auf?
Denkmuster tauchen immer dann auf, wenn wir belastet, verunsichert oder getriggert werden. Sie werden vor allem dann aktiviert, wenn eine Situation an alte, schwierige Erfahrungen erinnert (z. B. Ablehnung, Stress, Gefahr, Verlust). Besonders auffällig werden sie bei stressauslösenden Ereignissen. Aber auch bei Momenten, die „zu gut, um wahr zu sein“ erscheinen – etwa in Beziehungen: Wenn ein traumatisierter Mensch mit komplexer PTBS, der in der Kindheit Vernachlässigung erlebt hat, plötzlich Zuneigung, Liebe, Vertrauen und Sicherheit erfährt, können alte Denkmuster stark anspringen.
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Bei welchen psychischen Erkrankungen spielen Denkmuster eine Rolle?
Denkmuster sind ein zentraler Bestandteil bei vielen psychischen Erkrankungen, z.B.:
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PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung)
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Komplexe PTBS (KPTBS)
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Depressionen
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Angststörungen
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Essstörungen
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Persönlichkeitsstörungen
Oft überschneiden sich die Denkmuster, zum Beispiel bei Depression und PTBS.
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Wie kann man Denkmuster erkennen und verändern?
(Speziell bei PTBS, KPTBS und Depressionen)
1. Erkennen
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Führe ein Gedankentagebuch: Was denke ich in belastenden Situationen? Wie fühle ich mich dabei? Was tue ich anschließend?
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Achte besonders auf Gedanken mit „immer“, „nie“, „ich kann nicht“, „es wird nie...“, da diese typisch für festgefahrene Muster sind.
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Häufig tauchen die Gedanken blitzschnell auf und werden gar nicht als „Gedanke“ bemerkt, sondern direkt als Realität empfunden.
2. Hinterfragen
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Ist dieser Gedanke wirklich wahr? Gibt es Belege für das Gegenteil?
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Woher könnte dieses Denkmuster stammen? Ist es vielleicht ein altes Schutzprogramm?
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Würde ich zu einem Freund, der so denkt, dasselbe sagen wie zu mir selbst?
3. Verändern
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Entwickle neue, hilfreichere Gedanken: z.B. aus „Ich bin schuld“ wird „Ich habe mein Bestes gegeben in einer schweren Situation.“
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Nutze Techniken wie „kognitive Umstrukturierung“: Schreibe kritische/negative Gedanken auf und formuliere Gegenargumente.
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Übe, kleine Erfahrungen zu sammeln, die dein negatives Muster widerlegen (z.B. Unterstützung suchen, Erfolge wahrnehmen).
4. Handlung schaffen
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Setze kleine Schritte gegen das Denkmuster (z.B. Kontaktaufnahme trotz Angst, sich eine Pause erlauben, um Gefühle zu spüren).
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Feiere kleine Fortschritte, denn jede neue Erfahrung schwächt die Macht des alten Denkmusters.
5. Hilfe suchen
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Gerade bei alten Traumamustern ist professionelle Unterstützung durch Psychotherapie oft sehr sinnvoll und entlastend.
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Gruppen können zusätzliche Perspektiven und emotionale Unterstützung bieten.
Wichtig:
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Denkmuster sind veränderbar.
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Sie sind keine Wahrheiten, sondern „abgespeicherte Überlebensstrategien“, die oft aus früheren, meist sehr belastenden Erfahrungen stammen.
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Sie lassen sich mit Geduld, Selbstmitgefühl und Übung umwandeln – was sich immer positiv auf das Lebensgefühl auswirkt.
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Quelle:
Judith L. Herman: "Trauma und Recovery – Die Folgen von Gewalt." Junfermann Verlag, 2017.
Aaron T. Beck: "Kognitive Therapie der Depression." Beltz Verlag, 2017.
DeGPT (Deutsche Gesellschaft für Psychotraumatologie): https://www.degpt.de/wissen/trauma-und-bindung/
EMDRIA Deutschland – Denkmuster bei Trauma: https://emdria.de/informationen-fuer-klienten/haeufige-fragen/trauma/
Richard G. Tedeschi & Lawrence G. Calhoun: "The Posttraumatic Growth Inventory: Measuring the positive legacy of trauma." Journal of Traumatic Stress, 1996.
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